In den dunklen, aufgewühlten Fluten vor Norddeich haust ein uraltes Wesen – der Wassermann.
Man erzählt sich, er sei einst ein Mensch gewesen, ein Fischer, der durch seinen eigenen Hochmut verflucht wurde. Als er in einer stürmischen Nacht trotz aller Warnungen hinausfuhr, riss ihn eine schwarze Welle in die Tiefe. Doch anstatt zu sterben, veränderte sich sein Leib: Haut wie kalte Algen, Hände zu Klauen, Augen leuchtend wie Irrlichter.
Seit jener Nacht durchstreift der Wassermann das Meer. Er lauert unter der Wasseroberfläche, wo das Licht kaum noch hinreicht, und wartet auf jene, die zu nah an die verbotene Sandbank segeln. In mondlosen Nächten kann man sein schabendes Atmen über dem Wasser hören – ein raues, kehliges Krächzen, das der Wind über die Wellen trägt.
Fischer erzählen, wie er aus den Fluten emporstieg, wenn Nebel aufzog. Groß wie zwei Männer, mit einem Körper, halb aus Wasser, halb aus verfaultem Fleisch. Mit knochigen Fingern packt er die Ruderboote und zieht sie in die Tiefe, bis nur noch Blasen und zersplitterte Holzstücke an der Oberfläche treiben.
Eines Nachts, so berichten die Alten, versuchte eine Schiffsbesatzung, ihn zu vertreiben. Sie schlugen mit Äxten auf ihn ein, schrien Gebete in die tosenden Wellen – doch der Wassermann lachte nur, ein Geräusch, das klang, als würde das Meer selbst verhöhnen.
Er ließ von ihnen ab – damals. Aber er schwor Rache.
Seit jener Zeit ist der Wassermann rastlos. Jedes Jahr, wenn die Stürme kommen und das Meer sich aufbäumt, holt er sich ein Opfer. Mal einen einzelnen Fischer, der allein aufs Wasser ging. Mal ein Kind, das zu nah am Deich spielte. Immer aber verschwindet es ohne Spur – nur ein nasser Fußabdruck auf dem trockenen Pflaster bleibt zurück.
Manche sagen, wenn man nachts an den Deichen von Norddeich entlanggeht, hört man seine Stimme: ein Wispern, das verspricht, die verlorene Seele ins Meerreich zu holen.
Und wehe dem, der antwortet.
Aber eigentlich ist Norddeich doch ganz schön!
Und uneigentlich auch. Norddeich ist ein beliebtes Reiseziel - warum ist schnell erklärt: Es wird verdammt viel geboten und es liegt so verkehrsgünstig, dass man schnell auch andere Teile von Ostfriesland erkunden kann. Ob man sich nun in einen Strandkorb fletzen möchte, Drachen steigen lassen will, das Surfen lernen oder einfach kilometerlang am Strand entlang wandern möchte. Langeweile kommt eher nicht auf. Und wenn doch? Setzt man halt mal eben für einen Tagesausflug nach Norderney oder Juist über.